
Warum Authentizität immer stärker ist als „gewollte Tiefgründigkeit“
In der Kunstwelt wird Tiefgründigkeit oft romantisiert – als müsse jeder Künstlerin ein dramatisches „Warum“ haben, ein Trauma, eine große gesellschaftliche Vision. Aber was, wenn dein größter Antrieb einfach ästhetisches Empfinden, Ruhe, Neugier, oder Schönheit ist?
Nicht jede*r Kunstschaffende arbeitet konzeptuell. Nicht jede Linie braucht eine Theorie. Und das ist völlig in Ordnung.
Achtung vor rückwirkender Bedeutung
Manchmal passiert Folgendes:
Du hast ein Bild gemalt – rein aus Intuition, Freude oder wegen der Farben. Danach denkst du: „Aber ich sollte da doch mehr sagen…“
Also baust du im Nachhinein eine bedeutungsschwere Erklärung darum – eine, die dich selbst gar nicht richtig berührt.
Das kann funktionieren, aber auf lange Sicht wird es anstrengend. Warum?
Weil es sich nicht echt anfühlt. Und das spüren auch die Menschen, die deine Kunst betrachten.
Was ist die Alternative?
Wenn du nicht genau weißt, was „deine Themen“ sind, geh nicht über den Kopf, sondern über den Ausdruck.
Hier ein paar Impulse:
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Schau deine Werke an, ohne etwas zu erklären. Was fühlst du? Was wiederholt sich visuell?
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Was macht dir am meisten Spaß beim Schaffen? Farben? Komposition? Bewegung? Reduziere es nicht – erkenne es als deine Sprache.
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Wenn deine Kunst nur ein Gefühl transportieren würde – welches wäre das?
(z. B. Leichtigkeit, Melancholie, Klarheit, Spannung)
Künstlerische Identität ≠ großes Konzept
Vielleicht ist Schönheit dein Statement. Vielleicht ist dein „Warum“ ein ästhetisches Empfinden, das du mit anderen teilen willst.
Authentisch über deine Kunst zu sprechen, heißt nicht, dass du immer „tief“ oder „politisch“ sein musst.
Es heißt: Du weißt, was dich wirklich antreibt – auch wenn es schlicht oder poetisch ist.
Ausblick
In der nächsten Lektion wirst du deine eigene Kunst einmal ganz bewusst betrachten – nicht als Macher*in, sondern als neugieriger Beobachter*in.
Dabei geht es nicht um Selbstkritik, sondern darum, deine individuelle künstlerische Handschrift zu entdecken: Welche Farben, Formen, Motive und Emotionen tauchen immer wieder auf? Gibt es eine visuelle oder emotionale Linie, die sich durchzieht?
Diese Erkenntnisse helfen dir, deine künstlerische Identität weiter zu schärfen – nicht durch Konstruktion, sondern durch das, was schon da ist.